Er ist eine Ikone des Zeitgeist, eine Ikone der Modewelt und eine Ikone des kreativen Schöpfergeists: Karl Lagerfeld. Auch, wenn dem Hamburger Genie bereits zig Ausstellungen gewidmet wurden, gab es kaum einen derartigen Einblick in seine Arbeitsweise wie es „Karl Lagerfeld. Modemethode.“ vom 28. März bis 13. September in der Bundeskunsthalle in Bonn präsentiert. Mit mehr als 120 Designs und Accessoires aus seiner eigenen Modelinie sowie den Arbeiten für Chanel, Fendi und Chloé, dürfen sich die Besucher auf einen Einblick in seinen Modekosmos freuen, der inspirierender und beeindruckender nicht sein könnte.
Begonnen bei den ersten Entwurfskizzen über die Kollektionen bis hin zu den passenden Kampagnen sowie Grafik-Designs für Presse oder Schaufensterinszenierung, stammen alle Ideen rund um Lagerfelds Werke aus seiner Feder. Wir haben mit der Kuratorin über Karl’s Modemethode, die Idee der Ausstellung und ihre Zusammenarbeit mit Karl gesprochen.
Wer könnte unsere Fragen zur Ausstellung „Karl Lagerfeld. Modemethode.“ besser beantworten als die Kreativdirektorin und rechte Hand Lagerfelds?
Amanda, wie ist die Idee zur Ausstellung entstanden und welche konkrete Bedeutung hat der Untertitel „From Paper to Paper“?
Amanda Harlech: Die Idee der Ausstellung zeigt sich in unserem Arbeitstitel „From Paper to Paper.“. Der springende Punkt ist: Karl hat eine Vision, skizziert seine Vision, das Design erwacht durch die Kleidung zum Leben und zuletzt enden seine Arbeiten in einem Foto, was wiederum auch auf Papier dargestellt wird. Diese Ausstellung soll aber nicht zeigen wie Karl seine Arbeiten entwirft. Stattdessen habe ich versucht, Karl’s Schöpfergeist aufzuzeigen, der mit einem Entwurf auf einem weißen Blatt Papier beginnt und in einem Traum endet.
Man nennt Dich auch das „äußere Augenpaar“ Karl Lagerfelds. Wie dürfen wir diese Bezeichnung interpretieren?
Amanda Harlech: Karl liebt es zu sehen, wie andere auf Ideen reagieren. Ich glaube, dass ich sehr gut darin bin, seine Ideen zu verstehen. Das wiederum hilft ihm zu sehen, was bis dato nicht funktioniert. Meine Aufgabe besteht aber viel mehr darin, im Hintergrund auf Kollektionen, deren Ausrichtung und deren Fokus zu achten; über die Bedeutung zu sprechen wäre anmaßend. Ich verstehe aber sehr gut, was Karl ausdrücken möchte. Und jeder kreative Mensch benötigt diese ehrliche und nachvollziehbare Rückmeldung auf seine Arbeiten.
Karl Lagerfeld hat einmal gesagt „Ich habe immer etwas zu tun. Je mehr ich mache, desto mehr Ideen habe ich.“ - wie verpackt man diese Vielfalt und fast unendliche kreative Schöpferkraft in eine Ausstellung? Wie hast Du es geschafft einen Fokus zu bestimmen?
Amanda Harlech: Ich wollte Karl nicht als Generalisten darstellen, was er aber auch ist; ich wollte vielmehr die Idee der Melodien vermitteln, die er mit verschiedenen Orchestern spielt, die Tiefe seiner Gedankenprozesse und die einzelnen Schritte des Fine Tunings, um mit jedem Fashion Label in Einklang zu sein. Wir wissen, dass er Hogan, Balmain und H&M gemacht hat – insbesondere diese Kooperationen stechen hervor. Aber das wäre eine andere Ausstellung.
I rather wanted to convey an idea of the melodies he plays with different orchestras.
- Amanda Harlech
Läuft man durch die Ausstellung, wird man durch verschiedene Themenbereiche wie zum Beispiel „Paper World“ oder „Studio 54“ geführt. Welche Bedeutung und Zusammenhänge entstehen zwischen diesen Abteilungen)
Amanda Harlech: Das sind Arbeitstitel für mich. Sie stehen jeweils für den historischen und kulturellen Hintergrund der Designs. Jeder Abschnitt präsentiert Mannequins in verschiedenen Posen, die den Spirit der repräsentierten Ära widerspiegeln. Karl’s Zeichnungen ziehen sich wiederum durch die gesamte Ausstellung. Zu allererst sieht der Besucher den Schreibtisch von Karl. Im wahrsten Sinn des Wortes. Wir haben uns das Original für die Dauer der Ausstellung ausgeliehen, ebenso wie seinen Skizzen- Block, seine Bleistifte und seinen Papierkorb, der bis oben hin mit verworfenen Skizzen gefüllt ist. Dort sind auch die Stapel und Tüten voller neuer Bücher und Magazine von ihm zu sehen.
Der Abschnitt „Paper World“ zeigt die extravagantesten Haute Couture Kleider. Das ist der Teil der Ausstellung, der das 18. Jahrhundert aufzeigt. Das 18. Jahrhundert ist eines von Karl’s Lieblings-Epochen, was sich auch in seinen Designs widerspiegelt. Diese Modelle sind zu Beginn der „Paper World“ zu sehen. Sie ähneln fünf Guards, die diesen Abschnitt der Ausstellung beschützen. Wahrscheinlich hätte ein einziges Beispiel von Karl’s Attraktionen des 18. Jahrhunderts gereicht. Aber die Haute Couture Kleider sind so charmant, dass ich nicht nur eines davon präsentieren wollte. Sie illustrieren wie Karl das 18. Jahrhundert in einen zeitgemäßen Stil des 21. Jahrhunderts überträgt.
Welcher Bereich ist Dein persönlicher Lieblings-Ort in der Ausstellung – und warum?
Amanda Harlech: Einen Favoriten habe ich nicht. Alles zusammen ergibt den genau richtigen Sinn.
Du kennst Karl Lagerfeld nun schon seit vielen Jahren. Was schätzt du besonders an seiner Persönlichkeit und der Zusammenarbeit mit ihm? Wie dürfen wir uns die Zusammenarbeit vorstellen, wenn wir einen Blick hinter die Kulissen bekämen?
Amanda Harlech: Das Wort, das ihn am besten beschreibt, ist Freude. Man kann nicht wirklich über Arbeit sprechen, denn es ist ein Vergnügen an seiner Seite zu arbeiten. Für ihn ist die Arbeit selbst das Licht. Damit meine ich aber nicht, dass er in einer bevorzugten Situation ist, denn er arbeitet sehr hart.
Er ist auf dem Höhepunkt seiner kreativen Power und er wird stärker und stärker. So ist das mit Künstlern – je mehr sie sehen und zum Ausdruck bringen, desto besser werden sie. Karl erinnert mich an einen olympischen Athleten. Seine Neugier kennt keine Pause: er liest sechs Bücher zur gleichen Zeit – sowohl neue Publikationen als auch alte Ausgaben wie zum Beispiel Emily Dickinson. Er verschlingt Kultur auf die inspirierendste und kreativste Art und Weise. Alles, was er aufnimmt, treibt den nächsten Schritt zum kreativen Prozess an. Es ist faszinierend zu sehen, wie er von einem Fotoshooting weiterspringt, um an seinem nächsten Ansatz zu arbeiten, der wiederum die Inspiration für ein Möbelstück in einem neuen Haus werden könnte. Karl ist einfach einzigartig.
Und wo arbeitet Karl Lagerfeld aktuell, wenn sein Original Schreibtisch, Stuhl, Stifte und Papierkorb bis Ende September in der Bundeskunsthalle stehen? Ist das nicht sein Kreativ-Platz, den er in dieser Zeit vermissen wird?
Amanda Harlech: Da müssen Sie Karl fragen.