Der Job ist moralisch fragwürdig, lebensgefährlich und dennoch für einige von uns ein absoluter Traumberuf. In den neunziger Jahren vereinte der „Bang Bang Club“ gleich vier dieser Typen, die für die Kriegsfotografie lebten – und zum Teil auch starben.
Beruhend auf einer wahren Begebenheit erzählt der südafrikanische Regisseur Steven Silver die Geschichte in dem gleichnamigen Film „The Bang Bang Club“ von den vier Fotografen Greg Marinovich, Joao Silva, Ken Oesterbroek und Kevin Carter, die gemeinsam jeden Tag in die Townships von Soweto nahe der südafrikanischen Industriemetropole Johannesburg fuhren wie zu einer Angeltour, um Straßenschlachten, Lynchmobs und Schießereien aus nächster Nähe zu fotografieren.
Entweder rennt man um sein Leben oder um den ‘goldenen’ Schuss: Aus dieser Überzeugung ziehen Kriegsfotografen in Länder und Regionen, wo Thematiken wie Leid, Gewalt und Verbrechen, aber auch der Tod allgegenwärtig sind. Überzeugt davon, dass ein einziges Bild alles verändern kann, sehen sie sich als Auge der Welt und halten uns und unserer Gesellschaft mit ihren Bildmotiven die Grausamkeiten unserer Welt vor Augen. Doch ist das ein Traumjob?
Greg Sebastian Marinovich wird in den Bang Bang Club aufgenommen
Für den freien Fotojournalisten Greg Sebastian Marinovich schon. Als er Anfang der 1990er Jahre nach Südafrika kam, tobte dort gerade ein Krieg zwischen der Apartheid und der verbündeten Inkatha-Bewegung mit ihren Tausenden Zulu-Kriegern gegen Nelson Mandelas Partei ANC sowie deren Anhänger. Nach nur wenigen Tagen lernte er die drei Fotografen Kevin Carter, Ken Oosterbroek und João Silva während eines Zwischenfalls – sie alle fotografieren die Leiche eines von einem marodierenden Mob getöteten Mannes – kennen.
„Vergiss die lange Brennweite. Das wirkt nur in der Großaufnahme“, rät ihm Carter bevor er sowie seine beiden Kollegen weiterziehen. Nur kurze Zeit später begegnet Marinovich in einem angrenzenden Dorf einer Gruppe Zulus, die den zuvor fotografierten Mann töteten. Der Fotojournalist schießt ein Foto nach dem anderen und erhält dadurch einen Job bei der Zeitung „The Stars“, der ihm gleichzeitig auch die Tür zum „Bang Bang Club“ öffnet.
Blutige Straßenschlachten in den von Leichen übersähten Townships
Tag für Tag zieht die Gruppe nach den blutigen Straßenschlacht durch die mit Toten übersäten Straßen der Townships und dokumentiert die schier grenzenlose Gewalt des Krieges. Auf einem der Ausflüge passiert es dann: Marinovich sieht einen vor einer Gruppe fliehenden Mann und rennt hinterher. Er muss mitansehen, wie der Mann misshandelt, geschlagen und getreten wird. „Wer ist er“, will er wissen. „Er gehört zur Inkatha, das Schwein“, so sein Gegenüber. „Sind sie sich sicher“, will der Fotojournalis genauer wissen. „Er ist ein Zulu! Wir wissen das!“ Schlagartig verstummt Marinovich – und greift zur Kamera.
„Schluss damit! Aufhören“, bricht es aus Marinovich heraus, der mitansieht wie der Mann mit einer Machete traktiert wird. „Dann macht keine Fotos mehr”, erwidert sein Gegenüber. Anschließend folgt ein kurzes Wortgefecht, bis Marinovich endgültig verstummt.
Der am Boden liegende, zusammen geschlagene Mann wird nur kurz darauf mit Benzin übergossen und durch ein Streichholz entzündet. Marinovich wirkt wie paralysierte. Er sieht mit an, wie der Mann als eine Art „lebende Fackel“ auf der Straße herum taumelt und greift aus Reflex zur Kamera und drückt unzählige Male ab. Das letzte Mal, als ein erneuter Machetenhieb den brennenden Mann endgültig niederstreckt. Das entstandene Bild geht an AP und anschließend um die Welt. Marinovich erhält darauf hin den Pulitzer-Preis. Doch was bleibt, neben dem kurzweiligen Ruhm? Erinnerungen.
Kriegsfotograf nimmt sich nach Erhalt des Pulitzer-Preis das Leben
Quälende Erinnerungen, mit denen sich auch Carter immer wieder herumplagt: Tot, Leichen und Gemetzel. Immer häufiger greift er zu Drogen und verliert letzten Endes dadurch seinen Job. Auf der Flucht vor sich selbst, zieht es den ehemaligen Kriegsfotografen in den Sudan, wo er schlussendlich das Fotos seines Lebens schießt: Ein verhungerndes Kind kauert am Boden. Nur wenige Schritte davon entfernt lauert bereits ein Geier, der nur darauf wartet sich an dem Aas bedienen zu können.
Carter sucht sich den besten Winkel aus und drückt – wie gewohnt – ab. Wie Marinovich erhält auch Carter für sein tiefgreifendes Bild den Pulitzer-Preis – und jede Menge erdrückende Fragen obendrein: „Haben sie dem Kind geholfen?“ „Warum haben sie den Geier nicht verjagt?“ Letzten Endes sieht Carter keinen Ausweg mehr und nimmt sich nur wenig Tage später das Leben.
Mit dem Film Bang Bang Club wird ein politisch und moralisch schwieriges Thema beleuchtet
Mit dem Film „The Bang Bang Club“ schafft Regisseur Stephen Silver es, ein politisch und moralisch schwieriges Thema in einen großartigen Film zu verwandeln. Ein Film, der nicht nur viele Fragen mit Bezug zur Kriegsfotografe beantwortet, sondern auch unzählige neue aufwirft. „Kann ein Bild alles verändern?“ Am Ende sind wir es, die diese Bilder sehen wollen und sich deshalb die Zeitungen und Zeitschriften kaufen.
Letzten Endes wechseln wir sogar den Fernsehkanal, nur um jeden Abend um 20:15 Uhr zu sehen wie viele Menschen verhungert oder auf Grund terroristischer Gruppierungen von uns gegangen sind. Schade, dass nur wenige Menschen die richtigen Schlüsse aus den Bildern der beiden Kriegsfotografen gezogen haben.