Auf dem ersten Blick wirken sie aufgeräumt, futuristisch und sind weltweit auf jeder Automesse ein echter Hingucker. Design- und Konzeptfahrzeuge führen ihre Betrachter in die Welt von morgen, doch ist das alles nur schöner Schein?
„Schon seit einigen Jahren hat sich ein Trend entwickelt, dass man die Existenz von Konzeptfahrzeugen infrage stellt, weshalb die Welt der Konzeptfahrzeuge kaum noch Zukunft hatte“, sagt Sasha Selipanov, Leiter Exterieur Design Bugatti. „Doch das Vision Gran Turismo Projekt führte hier zu einer 180-Grad-Wendung.“
„Wärt ihr bereit, eure Vision eines Gran Turismos für uns zu entworfen?“ Mit dieser Frage startete Sony das Vision GT Projekt, bei dem es darum geht, wegweisende Design- und Konzeptmodelle zu entwerfen, die sowohl virtuell im Spiel als auch real auf der Straße funktionieren. „Alle Hersteller waren mit großer Ernsthaftigkeit dabei und haben ziemlich viele Ressourcen für die Concept Cars aufgewandt“, sagt Bugatti Designer Selipanov. „Für uns war es eine große Ehre, Teil dieser Bewegung zu sein.“
Angst, dass sich die vielen Mühen nicht bezahlt machen? Dieses Risiko war von Beginn an kalkulierbar, denn auch ohne das Vision Gran Turismo Projekt hätten Design- und Konzeptfahrzeuge für die IAA, Los Angeles bzw. North American International Auto Show gestaltet werden müssen – schließlich erweisen sie sich als echter Besuchermagnet.
Von Anfang an bot das Projekt Vision GT den einzelnen Design Departments eine großartige Chance sich frei zu entfalten, deutlich expressiver zu sein und ermöglicht am Ende eine neue Designphilosophie auf Funktion und Akzeptanz innerhalb einer jüngeren Zielgruppe zu testen. Ein Vorgehen, das Mercedes-Benz bereits in der virtuellen Welt von Second Life vor einigen Jahren angewandt hat.
In der Regel wird für eine Design- und Konzeptstudie ein interner Wettbewerb ausgeschrieben. Der Designer, der den finalen Entwurf gezeichnet hat, bekommt die Chance diesen mit den leitenden Designchefs umzusetzen. Dabei durchläuft das Konzept – vom weißen Blatt Papier, über Tape Arts, 3D- und Tonmodelle bis hin zum fertigen 1:1 Modell – je nach Automobilhersteller zwischen zehn und 15 Entwicklungsstufen. Anschließend entscheidet das obere Management, ob das Concept Car überhaupt in die Öffentlichkeit rollt oder nicht.
In der Vergangenheit endete die fertige Design- und Konzeptstudie als Highlight auf einer Automesse, bevor sie schlussendlich in den Archiven der Autohersteller verschwindet. Ob und in wie weit die neue Design- und Formsprache akzeptiert wird, konnte lediglich durch die Rückmeldung der Medien und Influencer beantwortet bzw. gedeutet werden. Eine bewusste Entscheidung, wie oft ein Fahrzeug ausgewählt wurde, gab es nicht.
Mit dem Vision Gran Turismo Projekt bietet Sony den Herstellern genau diese Möglichkeit, indem es über die eigene API sowie Datennetzwerke die getätigten Entscheidungen der Spieler analysiert und auswertet. Welches Fahrzeug wurde besonders häufig gefahren? Hat der Spieler optische Veränderungen wie z. B. an der Lackierung vorgenommen? All das sind Fragen, auf die Sony detaillierte Antworten liefern kann.
Für Mercedes-Benz, die bereits mit digitalen Erlebniswelten wie Fliplife und Second Life Erfahrung gesammelt haben, kam das Projekt zum richtigen Zeitpunkt. Der Stuttgarter Automobilhersteller arbeitet seit Mitte 2011 – mit dem Erscheinen des Concept A – an seiner Designphilosophie und ist noch mitten im Wandlungsprozess, als das Mercedes-Benz AMG Vision Gran Turismo vorgestellt wird.
„Das Exterieur eines Autos, seine Bewegungen, das Fahrgefühl, und die Darstellung der Szenerie rund um das Auto müssen so detailliert und realitätsnah wie möglich sein“, erklärt der Spielentwickler Kazunori Yamauchi. Nahezu 60 bis 70 Prozent eines der 10 beliebtesten Autos, die man in Gran Turismo 6 gefahren haben muss, sind heute im Design des Mercedes-AMG GT bzw. AMG GTR wiederzufinden.
Neben Mercedes-Benz gilt das Bugatti Vision Gran Turismo Konzept als ein weiteres Erfolgsprojekt. Die Luxusmarke hat die Chance um Vision GT genutzt, um so das Zusammenspiel des neuen Design-Teams auf Formensprache und Leidenschaft zu testen – mit Erfolg.
Insgesamt verhilft das Vision Gran Turismo Projekt Design- und Konzeptfahrzeugen zu einer neuen Daseinsberechtigung und bietet Automobilherstellern die Möglichkeit, futuristische Designelemente innerhalb der zukünftiger Generationen auf Akzeptanz zu testen. Auch zeigt es deutlich, dass erfolgreiches Design durch Daten durchaus möglich ist. „Denke nur an die attraktiven Konzeptstudien, die in den letzten zwei Jahren erschienen und in Erinnerung geblieben sind“, bringt es Sasha Selipanov auf den Punkt.